Erster Fastensonntag
Zu Matthäus 4, 1–11 (Lesejahr A)
Der Nazarener lernt, in der Wüste sich selbst aushalten. »Glanz und Gloria« eines Gottessohnes, werden die Lesenden und Hörenden des Sonntagsevangeliums entbehren müssen. Es wirkt etwas befremdlich, den »Heiland« bereits zu Beginn der Fastenzeit so gebrochen zu sehen. Dem Autor des Evangeliums ist allerdings anzurechnen, dass kein schöngefärbtes Heldenbild gezeichnet wird.
Gründe für die Wüstenzeit des Nazareners könnte es mehrere geben: Jeschua, könnte sich fragen, ob der familiär vorgezeichnete Weg, wirklich sein Weg ist. Und wenn er es ist, wie sieht das Berufsbild, die Arbeitsplatzbeschreibung des Messias überhaupt aus? Vielleicht geht es ihm auch einfach darum, eine Sprache und Bilder für sein Bild von Gott zu finden. Ein einsames Ringen um religiöse Ausdrucksformen, die seinem Schülerkreis und den Schülerkreisen folgender Generationen verständlich sind. Möglich ist, Jeschua ahnt bereits, wie Christenmenschen zukünftiger Zeiten immer wieder mit seinem Gottesbild ringen werden.
Die 40 Tage werfen den Nazarener auf sich selbst zurück: Ist es nicht wichtiger Arbeit und Brot zu haben, als den unsicheren Weg eines Wanderpredigers zu gehen? Sollte er nicht die göttliche Kraft, auf die er vertraut, für waghalsige Kunststücke nutzen und sich damit einen Namen machen? Oder wäre es nicht reizvoller, sich um ein bequemes, luxuriöses Leben zu bemühen und politischen Einfluss über möglichst viele Länder zu haben? Die Gedanken kreisen.
»Weg mit dir, Satan! Denn in der Schrift steht: Den Herrn, deinen Gott, sollst du anbeten und ihm allein dienen.«, ruft Jeschua seinen Zweifeln und Versuchungen entgegen. (Mt 4,10) Und was denken wir? Vielleicht: »Der Nazarener hat recht. Zu unserem Glück…«
© 2023 Matthias Möller
Photo by Samir Smier