Das Leben aufs Kreuz gelegt (3)
Um den Grundtechniken der geistlichen Begleitung auf die Spur zu kommen, geht es hinauf nach Jerusalem. Da es von Goslar bis ins Heilige Land kein Katzensprung ist, muss inwendiges Pilgern einstweilen genügen. Ein am Jerusalemer Ölberg gelegener Garten wurde zum Sinnbild für inneres Ringen mit dem eigenen Schicksal: Getsemani. Der Nazarener geht mit seinen Schülern zum Ölberg in den Garten – Petrus, Jakobus und Johannes werden namentlich genannt (Mt 26,36; Mk 14,32). Kein stilles Kämmerlein bei Freunden ist Rückzugsort. Der Nazarener trägt seinen Schmerz in die Nacht, in eine Grünanlage, will seine Schüler in der Nähe wissen, möchte die dunklen Stunden nicht allein verbringen. Nach diesem Urbild tragen Christen füreinander Verantwortung.
Man kann mit Recht fragen, ob eine gemeinsame Verantwortung heutigentags überhaupt noch zu empfehlen ist, haben doch im Laufe der Zeit immer mehr Hauptamtliche den Bereich der Seelsorge übernommen. Und man kann fragen, ob die zunehmende Zahl der theologisch-psychologisch Ausgebildeten eine verantwortungsvolle geistliche Begleitung nicht besser ausführen kann. Gerade diese Befangenheit der Laien ist bedenklich. (Nicht weniger bedenklich ist – bei Laien wie bei Hauptamtlichen – eine von Glaubenseifer entfachte Selbstüberschätzung.) In der praktischen Begleitung lassen sich Laien und Ausgebildete nicht trennen. Die gemeinsame Aufgabe darf nicht durch künstliche Über- und Unterordnung verwässert werden.
Laien und Hauptamtliche benötigen einen Grundstock an psychologischem Feingefühl für ihren begleitenden Dienst. Die etwas angestaubte Frage stellen »Was würde der Nazarener jetzt sagen?«, wäre ein erster Schritt. In dunklen Stunden niemanden allein lassen, ist die erste Lektion aus dem Garten Getsemani. Nicht immer einfach umzusetzen, wie sich zeigen wird.
© 2020 Matthias Möller
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Ein Kommentar zu „Getsemani | In dunklen Stunden“
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